Then was then and now is now – Ian Gillan, Deep Purple
Die Änderung in der Praxis, dass Ärzte heute seltener „alle möglichen Blutwerte“ bestimmen, liegt an mehreren Faktoren, die mit medizinischen Leitlinien, Kostenüberlegungen und der Vermeidung unnötiger Untersuchungen zusammenhängen:
1. Evidenzbasierte Medizin und Leitlinien
- Zielgerichtete Diagnostik: Moderne medizinische Leitlinien empfehlen, Blutuntersuchungen gezielt auf Grundlage der Symptomatik, des Alters, des Risikoprofils und spezifischer gesundheitlicher Anliegen durchzuführen. Routinemäßige, umfassende Bluttests ohne konkreten Anlass gelten oft als unnötig und können zu Fehlinterpretationen führen.
- Vermeidung von Überdiagnostik: Es besteht das Risiko, dass durch umfassende, routinemäßige Blutuntersuchungen zufällige, geringfügige Abweichungen entdeckt werden, die klinisch irrelevant sind, aber dennoch zu weiteren Untersuchungen und Ängsten führen.
2. Kosten und Ressourcennutzung
- Kosten-Nutzen-Abwägung: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel nur die Kosten für medizinisch notwendige Untersuchungen. Routinemäßige Tests ohne konkrete medizinische Indikation werden nicht von der Krankenkasse erstattet.
- Ressourcenoptimierung: Durch eine gezielte Auswahl der Bluttests können die medizinischen Ressourcen effektiver genutzt werden, was besonders im Hinblick auf die Kostenexplosion im Gesundheitssystem wichtig ist.
3. Medizinischer Fortschritt und Prävention
- Risikoorientierte Vorsorge: Die medizinische Praxis hat sich dahingehend entwickelt, dass präventive Maßnahmen und Untersuchungen stärker auf individuelle Risikoprofile abgestimmt werden. Zum Beispiel werden Cholesterinwerte regelmäßig überprüft, wenn ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, aber nicht zwangsläufig jedes Jahr bei jedem Patienten.
- Langfristige Beobachtung: Für viele Blutwerte ist es ausreichend, sie in regelmäßigen Abständen von mehreren Jahren zu überprüfen, wenn kein spezifischer Anlass oder Verdacht auf eine Erkrankung besteht.
4. Patientensicherheit
- Vermeidung von Fehlinterpretationen: Bei zu häufigen oder zu umfangreichen Blutuntersuchungen besteht die Gefahr, dass harmlose, vorübergehende Abweichungen überinterpretiert werden, was zu unnötigen weiteren Tests oder Behandlungen führen kann.
- Anpassung an aktuelle Gesundheitssituation: Bluttests sollten in erster Linie dann durchgeführt werden, wenn es gesundheitliche Beschwerden gibt oder wenn bei der Anamnese und Untersuchung Risikofaktoren identifiziert wurden.
Zusammenfassend hat sich der Fokus von routinemäßigen, umfassenden Blutuntersuchungen hin zu einer gezielteren, risikoorientierten Diagnostik verschoben, um eine bessere Patientenversorgung und Ressourcennutzung zu gewährleisten.
Wenn Sie dennoch bestimmte Blutwerte regelmäßig überwachen möchten, ist dies als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) möglich.