„Wir denken, dass wir denken“ bedeutet, dass wir oft glauben, unsere Entscheidungen seien das Ergebnis bewusster, rationaler Überlegungen. Tatsächlich laufen viele Bewertungsprozesse jedoch unbewusst und automatisiert ab. Diese automatischen Prozesse basieren auf Heuristiken (mentalen Abkürzungen) und kognitiven Verzerrungen, die unser Gehirn nutzt, um Informationen schnell zu verarbeiten (Kahneman, 2011).
Dadurch kann es passieren, dass wir eine intuitive Einschätzung fälschlicherweise als wohlüberlegte Entscheidung wahrnehmen. Ein Beispiel ist der Confirmation Bias: Wir neigen dazu, Informationen zu bevorzugen, die unsere bestehenden Überzeugungen stützen, und blenden widersprüchliche Hinweise unbewusst aus. Dies geschieht oft, ohne dass wir uns des Prozesses bewusst sind.
Das bedeutet, dass viele unserer Handlungen und Entscheidungen nicht so rational und objektiv sind, wie wir glauben. Stattdessen werden sie stark von unbewussten Denkmustern, Vorurteilen und Emotionen beeinflusst. Das hat mehrere wichtige Folgen für unseren Alltag:
1. Missverständnisse und Fehlurteile
Weil wir oft automatisiert denken, bewerten wir Situationen und Menschen voreilig. Zum Beispiel können wir jemandem aufgrund eines ersten Eindrucks (Halo-Effekt) positive oder negative Eigenschaften zuschreiben, ohne dies bewusst zu reflektieren.
2. Fehlentscheidungen im Beruf und Alltag
In vielen Situationen verlassen wir uns auf Heuristiken, die uns zwar schnelle Entscheidungen ermöglichen, aber manchmal zu Fehlern führen. Beispielsweise kann der Verfügbarkeitsheuristik-Effekt dazu führen, dass wir Risiken überschätzen (z. B. Flugangst durch Medienberichte über Unfälle) oder unterschätzen (z. B. Rauchen, weil wir gesunde Raucher kennen).
3. Selbstüberschätzung
Der Dunning-Kruger-Effekt zeigt, dass Menschen mit wenig Wissen in einem Bereich oft ihre Kompetenz überschätzen, während Experten eher an sich zweifeln. Dies kann dazu führen, dass wir uns in Diskussionen oder Entscheidungen zu sicher fühlen, obwohl unsere Einschätzung fehlerhaft ist.
4. Beeinflussbarkeit durch Sprache und Kontext
Unsere Entscheidungen werden stark durch Formulierungen und den Kontext beeinflusst (Framing-Effekt). Zum Beispiel reagieren wir unterschiedlich auf die Aussagen „Dieses Medikament hat eine 90 % Erfolgsquote“ vs. „Dieses Medikament hat eine 10 % Misserfolgsrate“, obwohl sie inhaltlich gleich sind.
Fazit:
Bewusstes Hinterfragen: Es hilft, sich regelmäßig selbst zu reflektieren – warum denke ich so? Welche unbewussten Annahmen stecken dahinter?
Langsameres Denken in wichtigen Situationen: Wenn Entscheidungen relevant sind (z. B. im Beruf, in Beziehungen, bei finanziellen Fragen), lohnt es sich, bewusst in „System 2“ zu wechseln und analytisch zu denken.
Offen für andere Perspektiven bleiben: Um eigene Verzerrungen zu minimieren, ist es wichtig, verschiedene Standpunkte zu berücksichtigen und aktiv nach gegenteiligen Meinungen zu suchen.
Letztlich kann ein besseres Verständnis dieser Denkprozesse uns helfen, reflektierter und fairer im Umgang mit uns selbst und anderen zu sein.